Bericht Badische Zeitung vom 7. Juli 2023

Mehr Tempo beim Ausbau der Photovoltaik

Die Gemeinde Riegel und die Bürgerenergie Kaiserstuhl wollen gemeinsam die Klimaneutralität der Gemeinde vorantreiben. Doch die Genossenschaft hat noch weitere Gemeinden im Blick.

Erstes gemeinsames Projekt wird eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Betriebshofs. Rund 100.000 Euro wird die Genossenschaft in die Anlage mit 90 Kilowatt peak investieren. Das Projekt bietet Interessierten erstmals seit acht Jahren wieder die Gelegenheit zum Einstieg in die Genossenschaft. Mindesteinlage sind künftig 100 Euro, die Maximalsumme pro Mitglied bleibt bei 10.000 Euro. Am 20. Juli stellt sich die Genossenschaft in Riegel Interessierten aus der Region um 19 Uhr im Bürgerhaus Alte Schule vor.

„Klimaschutz ist eine große Gemeinschaftsaufgabe“, betont Irina Wellige, Klimaschutzmanagerin der Gemeinde Riegel. Die Bürgerenergiegenossenschaft ermögliche auch all jenen eine aktive Beteiligung an der Energiewende, die kein eigenes Dach zur Verfügung haben. Riegel wolle sein ehrgeiziges Ziel der Klimaneutralität bis 2035 erreichen und dafür so schnell wie möglich alle verfügbaren Dachflächen mit Photovoltaikanlagen belegen. Die Kooperation mit der Beka entlaste die Gemeinde personell und finanziell, denn die Beka plane, baue und betreibe die Anlagen in eigener Regie.

Die Bürgerenergiegenossenschaft will nicht nur die Energiewende voranbringen, sondern auch mehr Leute dafür gewinnen. Dafür habe man die Kosten für einen Anteil von 500 auf 100 Euro gesenkt – als Anreiz für junge Leute, aber auch als Geburts- oder Taufgeschenkidee und „schöne Anlage für den Start ins Leben“, betont Vorstandsmitglied Achim Lott. Das Besondere bei der Genossenschaft: Jedes Mitglied hat eine Stimme, egal wie viele Anteile es besitzt.

Gestartet war die Genossenschaft als Bürgerenergiegenossenschaft Endingen. Doch in den acht Jahren habe man in Endingen nicht den angestrebten Erfolg erzielt, sagt Achim Lott. Die Genossenschaft habe ehrenamtlich mehrere Anlagen geplant und durchgerechnet, sei aber beim Gemeinderat letztlich nicht zum Zug gekommen. „Riegel hat erkannt, was durch Zusammenarbeit möglich wird“, betont Lott. Die Gemeinde habe weder Risiko noch Investitionskosten, komme aber bei ihren Klimazielen schneller weiter. Anstelle einer Dachpacht für die Anlage auf dem Betriebshof erhält die Gemeinde zehn Genossenschaftsanteile.

Im vergangenen Jahr starteten Beka und Gemeinde eine Potenzialanalyse für öffentliche Gebäude in Riegel. Dabei habe man noch drei bis vier weitere Objekte identifiziert, auf denen PV-Anlagen entstehen sollen, so Lott. So haben etwa die Kitas und die Schule sowie das Rathaus noch keine Solarstromanlage. Genossenschaft und Gemeinde vereinbarten auch, dass der Anlagenbetrieb von Einspeisung auf Eigenverbrauch umgestellt werden kann, wenn dies rechtlich möglich wird. Man erwarte eine gesetzliche Änderung, die Genossenschaften den Verkauf der selbst erzeugten Energie an ihre Mitglieder ermöglichen werde. „Wir haben im Rathaus einen hohen Stromverbrauch, aber nur ein kleines Dach“, betonte Irina Wellige: „Da wäre die rechnerische Nutzung von günstigem Strom vom Betriebshofdach natürlich toll.“ Jetzt hoffe man auf viele neue Mitglieder aus Riegel, die in die Energiewende investieren und sich auch in den Gremien der Genossenschaft einbringen. Die Anlage auf dem Betriebshof soll spätestens Anfang Dezember in Betrieb gehen. Allerdings hänge der Ausbau der Photovoltaik auch vom Netzausbau der Netze BW vor Ort ab, betont Lott.

Bei der Erweiterung des Geschäftsbereichs auf Riegel soll es nicht bleiben. Die Bürgerenergiegenossenschaft Kaiserstuhl plant weitere Projekte in Eichstetten oder Bötzingen. Auch dort sollen in den nächsten Wochen Infoveranstaltungen stattfinden, um Mitglieder für die Finanzierung der Vorhaben zu gewinnen. Dabei liegt der Fokus klar auf Menschen aus der näheren Region am Kaiserstuhl. Fremdinvestoren von weit her wolle man nicht, betonen die Vorstandsmitglieder Armin Schmidt und Achim Lott.

Die Null- oder Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre machte Bürgerenergiegenossenschaften zur Geldanlage attraktiv. Bei steigenden Zinsen dürfte wieder mehr Idealismus der potenziellen Investoren gefordert sein. Über die Rendite entscheiden die Mitglieder Jahr für Jahr. Bislang schüttete die Genossenschaft dreimal Geld an die Mitglieder aus; ansonsten blieb das Geld in der Genossenschaft. Ein Puffer, um ein Projekt aus dem Kapitalbestand finanzieren zu können, sei für die kontinuierliche Arbeit hilfreich, so Lott. Aktuell habe die Genossenschaft 69 Mitglieder. In Endingen gebe es eine Warteliste mit Interessenten.

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